Mi 18 Apr 2012
FC Šiauliai – Žalgiris Vilnius 2:2 (2:1)
Geschrieben von admin unter Fussballreisen
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Am Mittwoch Morgen führte mich mein Weg in die litauische Sonnenstadt Šiauliai. Der Grund dafür ist einfach. Denn an diesem Tage sollte meine litauische Lieblingsmannschaft Žalgiris Vilnius ihr Auswärtsspiel in dieser Stadt bestreiten. Eine gute Möglichkeit also für mich meine treue Pflicht als Žalgiris Anhänger zu erfüllen, und die Stadt Šiauliai (zu Deutsch: „Schaulen“) etwas besser kennenzulernen. Šiauliai ist, wie bereits erwähnt, als die Sonnenstadt (in Litauisch: „Saules miestas“) bekannt. Die Bewohner behaupten die Sonne wäre in dieser Stadt erschaffen worden, oder so ähnlich. Wie dem auch sei … an diesem Tage wurde sie ihren Ruf gerecht. Es scheinte so gut wie ununterbrochen die Sonne.
Der erste Weg führte mich auch gleich zum Wahrzeichen der Stadt. Der sogenannte „Golden Boy“, der mit einem Bogen in der Hand auf der Sonne (die Kugel soll die Sonne symbolisieren) steht, und nach Westen blickt.
Kurz darauf machte ich mich auf den Weg zum Stadion. Damit ich auch gleich hinfinde, wenn ich hin muss. Das Stadion wurde auch rasch gefunden. Da es sich gerade um die Mittagszeit handelt, und das Spiel erst um 17:00 beginnt, habe ich keine Eile. Ich sehe mich etwas um, und versuche mir den Weg zurück zum Hotel einzuprägen.
Die Flutlichtmasten tauchen bereits auf. Ich habe das Stadion also gefunden.
Ich erblicke ein Stadion mit einer modernen Zuschauertribüne und gepflegten Sitzplätzen. Wo ausser hier soll denn sonst das Spiel heute stattfinden? Ich gehe wieder zurück in das Stadtzentrum, und nehme mir fest vor eine Stunde vor Spielbeginn wieder vor dem Stadiontor aufzutauchen.
Einige Minuten nach 16:00. Da stehe ich nun vor dem Stadion. Keine Netze an den Toren, kein Spielerbus, keine Zuschauer, keine Kassen geöffnet … was ist da schon wieder los? Wurde das Spiel in letzter Sekunde wieder einmal verschoben? Spielt Šiauliai die Heimspiele jetzt im kleinen Fussballdorf Gargždai, so wie es auch Atlantas Klaipeda macht? Plötzlich verlassen zwei Damen schnellen Schrittes das Stadion. Die muss ich jetzt fragen was da los ist. Ich erfahre dass das Spiel ausserhalb der Stadt auf einem Trainingsplatz stattfindet. Na servas, da hat mal ein litauischer Fussballverein ein erstklassiges Stadion als Heimstätte, und dann spielt man das Heimspiel gegen die populärste Mannschaft des Landes am Trainingsplatz … das ist Litauen! Nun, wie soll ich da jetzt eine Stunde vor Spielbeginn hinkommen. Die Damen zeigen sich freundlich und haben Mitleid. Ich darf in ihr Auto steigen … sie fahren mich hin. Die Situation ist gerettet!
Später stellt sich heraus dass beide Damen die Eintrittskarten verkaufen … aus ihrem Kleinwagen heraus. Als wir angekommen sind befinden wir uns irgendwo im Nirdendwo ausserhalb der Stadt. Auf die Frage wie ich nach dem Spiel wieder in das Stadtzentrum komme zucken sie nur mit den Schultern. Na gut, dann werd ich mal das Spiel geniessen und mir erst beim Schlusspfiff den Kopf darüber zerbrechen wie ich von hier wieder weg komme.
So sieht es aus als ich aus dem Kleinwagen der beiden Damen steige. Vereinzelt stehen Wohnblocks herum. Das Stadtzentrum ist gaaaanz weit weg. Von einer Buslinie keine Spur. Aber egal, ich hab es doch noch geschafft rechtzeitig zur richtigen Spielstätte zu kommen. Die beiden Damen waren meine Rettung. Alles Andere wird sich nach dem Spiel weisen.
So sieht sie also aus die „wahre Heimstätte“ des FC Šiauliai. Ein Kunstrasenplatz am Ende der Stadt mit einer notdürftig aufgestellten Tribüne.
Ich kaufe mir eine Karte um 3 Litas (0,86 Euro), und überlasse den Rest meines 10 Litas Scheines den beiden Damen, die mir durch ihre Mitnahme meinen Fussballtag gerettet hatten.
0,86 Euro Eintritt für einen Sitzplatz auf der Haupttribüne eines Erstligaspiels. Daran könnte sich auch Rapid Wien ein Beispiel nehmen. 🙂
Da noch nicht so viele Leute den Weg in das Innere der Arena gefunden haben, kann ich mir in Ruhe einen schönen Sitzplatz suchen.
Es wird nun Zeit sich dem Spiel zu widmen.
FC Šiauliai – Žalgiris Vilnius 2:2 (2:1)
Beginn: 17:00
Im Westen der Stadt, 800 Zuschauer
Schiedsrichter Dirda (Kaunas)
Torfolge:
1:0 (15.) Eliošius
1:1 (26.) Komolov
2:1 (45.) Rimavičius
2:2 Elfmeter (70.) Kuklys
Das sind die nüchternen Zahlen und Fakten.
Bevor das Spiel beginnt suche ich aber noch die Dixi Toilette auf. Es gibt nur zwei davon. Beide nebeneinander am linken Cornereck der Tribüne. Ich befinde noch im Inneren der mobilen Notdurftanlage, als ich bemerke dass die Žalgiris Ultras eintreffen. Die beiden Dixi Häuschen befinden sich also im gerade erst jetzt deklarierten Auswärtssektor. Abgeschirmt von Ordnerkräften und Polizei. Na bravo! Ich lasse mich aber nicht beirren, verlasse die stille Örtlichkeit, und begebe mich festen Schrittes durch den Žalgiris Mob zurück auf meinen Tribünenplatz. Schon höre ich es hinter meinem Rücken hysterisch kreischen. Ich habe die Aufmerksamkeit einer übermotivierten Ordnerkraft auf mich gezogen. Er meinte wohl ich wäre jemand aus der grün-weissen Fangruppe der die Hautptribüne stürmen möchte … also stelle ich mich, und drehe mich um. Sofort prasselt ein Schwall von litauischen Vorwürfen auf mich ein. Ich verstehe kein Wort davon. Als der Ordner mit seiner Belehrung fertig zu sein scheint, antworte ich: „Asch nesupratau. Asch esu Austras!“ Was soviel wie „Ich versteh nix. Ich bin Österreicher!“ heisst. Ich kann förmlich die Räder im Inneren seines Kopfes drehen hören. Was wird ihm da jetzt gerade durch den Kopf gehen? Wahrscheinlich: „Will der mich verarschen oder ist der wirklich Österreicher?“ Schliesslich lässt er mich auf die Tribüne. Sein strenger Blick bleibt aber.
Die Žalgiris Leute haben sich in der Zwischenzeit eines scheinbar nicht für das Spiel benötigten Tores bemächtigt und schleppen es in ihren Sektor …
… um darauf ihr Transparent anzubringen. 🙂
Nur wenige Sekunden vor Spielbeginn. Der Platz ist gut gefüllt. Endlich sehe ich einmal eine volle Tribüne bei einem litauischen Ligaspiel!
Das Spiel beginnt also. Žalgiris ist leicht feldüberlegen, tut sich aber schwer mit dem Herausspielen von Einschussmöglichkeiten. Šiauliai steht hinten sehr gut, und bleibt in Gegenstössen gefährlich.
Im Bild Mantas Kuklys (88) in Diensten von Žalgiris Vilnius. Am Beginn seiner Profikarriere spielte er zwischen 2008 und 2010 übrigens für den FC Šiauliai. Später spielte er 3 Saisonen in Belgien bei Turnhout und ab in diesem Jahr ist er wieder zurück in der Litauen Liga bei Žalgiris.
Bereits in der 15. Minute folgt der erste Hieb für die Gäste aus der Hauptstadt. Die Mannschaft in der Vorwärtsbewegung – die Verteidigung viel zu weit aufgerückt (Mittellinie) – Ballverlust – der letzte Mann verliert den Zweikampf … und bereits ab der Mittellinie kann Tautvydas Eliošius völlig frei und unbedrängt auf das gegnerische Gehäuse laufen. Das Tor ist dann nur noch Formsache. 1:0 für die Gastgeber. Das muss man erst mal verdauen. Ein klassischer Konter.
Trotz des frühen 0:1 Rückstandes stärken die Žalgiris Ultras ihrer Mannschaft weiterhin den Rücken!
Die Mannschaft aus Vilnius nimmt die Fans beim Wort und gibt sich nicht auf. Es wird weiter bemüht nach vorne gespielt. Doch die letzte Anspielstation vor dem Tor will und will nicht erreicht werden. Immer ist irgendein Bein von einem Gegenspieler dazwischen. Oder der Ball geht neben das Tor. Im Bild der linke Žalgiris Flügelspieler Vaidas Šilėnas. Er trägt die Nummer 20.
TOOOOR! 1:1!!! Nachdem es mit dem Handmeißel nicht geklappt hat, musste Žalgiris einmal den Schlagbohrer auspacken. Der Russe Pavel Komolov zog aus etwa 20 Metern ab, und der Schuss sass.
Jetzt drängen die Gäste auf den Führungstreffer!
Mantas Kuklys (88) holt sich den Ball aus der eigenen Hälfte. Der FC Šiauliai Legoniär aus Argentinien (Rosario) Santiago Rodolfo Cesanelli (22) überreisst die Situation und eilt hastig zurück auf seine Position. Der Angriff des FC Šiauliai scheitert an der Entschlossenheit des ehemaligen FC Šiauliai Akteurs Mantas Kuklys.
In den letzten Sekunden der 1. Halbzeit dann der nächste Tiefschlag für Žalgiris Vilnius. Ein herrliches Ferserl in den 16er Raum, nützt Laurynas Rimavičius für die erneute Führung der Gastgeber – 2:1! Obwohl mein Herz für Žalgiris Vilnius schlägt, muss man da neidlos anerkennen, das war ein Tor für Feinschmecker. Ein Zuckerltor, würde Dr. Schneckerl Prohaska sagen … wenn es sein violetter Wunderknabe Tomáš Jun gemacht hätte.
Es geht also mit einer 2:1 Führung der Gastgeber in die Pause.
Zwischen den beiden Halbzeiten unterhält ein Pausenclown die Ballbuben und das Publikum. Ohne seine Tragerl Bier hätte er aber seine Show wahrscheinlich nicht abziehen können.
Wild entschlossen drängt Žalgiris jetzt auf das 2:2. Hier muss sich Šiauliai Torhüter Mindaugas Malinauskas einmal strecken.
Žalgiris wieder einmal im Vorwärtsgang. Der russische Mittelfeldmotor Pavel Komolov (10) spielt auf den schottischen Topscorer Callum Elliot. Der Angriff bringt aber nichts ein. Callum Elliot ist zwar der führende der Torschützenliste, in Šiauliai hatte er aber nicht den besten Tag. Blieb meist farblos und seine Abschlussstärke liess zu wünschen übrig. Er wurde allerdings auch sehr hart ran genommen, und das will was heissen als Schotte. Er kam übrigens von Heart of Midlothian FC. Also eine richtig gute Verstärkung für Žalgiris.
Šiauliai Sturmspitze Robertas Vėževičius winkt ab: „Den Ball erwische ich nicht mehr!“ War etwas zu steil gespielt.
Der kroatische Innenverteidiger von Žalgiris Vilnius: Luka Peric mit der Nummer 14.
Der Verteidiger Georgas Freidgeimas schaltet sich in den Angriff ein. Auch er spielte 2010 noch für den FC Šiauliai.
Das entscheidende Elfmeterfoul in der 69. Minute! Der Schotte Callum Elliot (9) wird von Deivydas Lunskis (15) gelegt. Der Verteidiger der Gastgeber bekommt dafür die gelbe Karte und Žalgiris den Elfmeter.
Der Elfmeter wird von Mantas Kuklys zum 2:2 verwandelt.
So blieb es dann auch bis zur 90. Minute und dem Ende der Nachspielzeit. Alles in allem muss man sagen dass FC Šiauliai sehr ruppig agierte, und teilweise schon fast etwas schmutzig spielte. Die Gäste aus der Hauptstadt waren feldüberlegen, taten sich aber extrem schwer Chancen herauszuspielen weil Šiauliai hinten sehr diszipliniert stand. Die Gegentore erhielten die Gastgeber ja auch nur aus einem Distanzschuss und einer Standardsituation.
Das Spiel ist aus. Ein Žalgiris Spieler bedankt sich für die Unterstützung der Fans. Wenn man bedenkt, etwa 3 1/2 Stunden Fahrt von Vilnius nach Šiauliai, Anstoss um 17:00 an einem Wochentag … ich denke die Unterstützung der Gästefans kann sich sehen lassen.
Ich hab es trotz Sprachbarrieren auch wieder irgendwie in das Stadtzentrum geschafft. Mit mehreren Gläsern Svyturis Baltijos lasse ich den Tag im Einkaufszentrum gemütlich ausklingen.
Entlang der menschen und autoleeren Hauptstrasse geht es zu Fuss zurück zum Hotel.
Blick vom Hotelzimmer aus in die Innenstadt von Šiauliai. Jetzt wird im Fernsehen Championsleague Halbfinale geschaut!!! So endet ein Tag in der selbsternannten Sonnenstadt.
25. April 2012 um 22:45
Wie immer, aber dieses mal besonders, amüsant! Sehr abenteuerlich. erinnert an die guten alten Zeiten. allerdings nicht an solch exotischen Plätzen ! Weiter so und danke für die Info-sms.
26. April 2012 um 01:02
nice report.It’s really interesting to read a report from someone outside of Lithuanian football life.