Litauen, 1. Liga (Lyga A)
FC Klaipeda – Zalgiris Vilnius 0:1 (0:1)
Stadion: Klaipėdos centrinis stadionas (Klaipėda), 230 Zuschauer
Schiedsrichter: Vijūnas Vasiliauskas
Tor: Arminas Vaskėla (39. Minute)
Zusammenfassung im Fernsehen: http://www.zalgiris-vilnius.lt/video/2568.html
Litauen ist das Land in dem die Würde des Fussballs mit Füssen getreten wird. Baufällige Stadien aus der Vorkriegszeit, VIP Tribünen ohne Sitzplätze dafür mit einem Loch am Boden, Vereine die mehrmals im Jahr den Namen ändern und nur zu dem Zweck gegründet werden damit man mindestens 8 Mannschaften in der Liga hat, kaum Zuschauerinteresse, und so weiter.
Als ich nach dem Weg zum Fussballstadion fragte, wurde ich sogar auf offener Strasse ausgelacht. Fussball? Was ist das? Noch nie davon gehört. So in der Art geht man mit diesem wundervollen Sport in diesem Land um. Nummer 1 ist eben Basketball. Hier ist man international sehr erfolgreich und eben nur das zählt für den nationalbewussten Litauer.
Eine kleine Stärkung vor dem Spiel. Es hat sehr gut geschmeckt.
Eine Stunde vor dem Spiel tut sich schon was. Ein Carlsberg Bierstand wurde aufgebaut. Der junge Verkäufer in gespannter Erwartung auf Kunden.
Der Zalgiris Vilnius Bus ist auch schon da. Nur von den Zalgiris Ultras ist noch nichts zu sehen. Sie befinden sich zu diesem Zeitpunkt noch am Weg nach Klaipeda. Dienstag, 18:00 ist ja auch nicht gerade eine ideale Anstosszeit für Auswärtsfans. Vor allem wenn der Anfahrtsweg so lange ist wie zwischen Vilnius und Klaipeda. Mit 5 Stunden Fahrtzeit muss man da schon rechnen.
An diesem Tag habe ich mich für das Spiel FC Klaipeda gegen Zalgiris Vilnius entschieden. Die Entscheidung fiel mir nicht schwer dieses Spiel zu wählen, ist doch Zalgiris Vilnius bereits schon seit mehr als 10 Jahren meine litauische Lieblingsmannschaft. Die Farben (grün und weiss) und die Tradition + treuen als auch stimmgewaltigen Fäääns (für litauische Fussballverhältnisse) erinnern eben doch stark an Rapid Wien. Ausserdem bin ich ja oft in Vilnius und da liegt es eben auf der Hand dass mein Herz in Litauen nur für Zalgiris Vilnius schlagen kann. Zu Hause habe ich Zalgiris ja schon öfter spielen sehen. Nun sah ich Zalgiris zum ersten Mal in einem Auswärtsspiel.
Ich nütze die Gelegenheit und inspiziere den Rasen im 5-Meter-Raum.
Der heutige Gegner, FC Klaipeda, ist ein Klub aus der Retorte. Er wurde 2009 nur aus dem Grund in das Leben gesetzt damit damals die 1. litauische Liga, genannt „Lyga A“, mit 8 Mannschaften über die Bühne gehen konnte. Alle Ligen unter 8 Mannschaften werden von der UEFA nicht akzeptiert, und die litauischen Vereine wären nicht für Champions und Euro League spielberechtigt gewesen. Der wahre Verein in Klaipeda ist Atlantas. Beide Klubs aus Klaipeda spielen in der aktuellen Saison gegen den Abstieg. Derzeit hat FC Klaipeda mit einem Punkt die Nase vorn. Atlantas liegt auf dem 11. Platz dahinter. 5 Punkte dahinter steht Kaunas auf dem letzten Platz.
Bei Zalgiris scheint es nach vielen Jahren der Krise endlich wieder aufwärts zu gehen. Man spielt in dieser Saison ernsthaft um den Titel mit. Der letzte Meistertitel ist lange her. Er wurde im Sommer 1999 gefeiert. Im Anschluss ging es immer weiter bergab. Im Herbst 2009 war man sogar in der 2. Liga angekommen und spielte gegen den Abstieg. Sportlich schaffte man den Wiederaufstieg zwar nicht (6. Platz von 7 Mannschaften ist sportlich von einem Aufstieg weit entfernt), aber eine Saison darauf war man trotzdem wieder erstklassig. In Litauen geht das. Mit Geld und Beziehungen ist alles möglich. Als Fast-Absteiger spielte man die Saison darauf wieder in der 1. Liga mit und belegte auch den guten 3. Platz.
In der aktuellen Saison ist man der erste Verfolger des Tabellenführers Ekranas Panevėžys. Eine Mannschaft die derzeit den litauischen Fussball dominiert wie keine andere. In den letzten 3 Saisonen holte man sich den Meistertitel 3 Mal in Folge. Zalgiris muss wenn möglich in jedem Spiel voll punkten um an Ekranas dran bleiben zu können. Derzeit beträgt der Abstand 6 Punkte. Das ist die Ausgangslage für das heutige Spiel. Abstiegskandidat gegen Meisteraspirant.
Das Kassenhäuschen betrieben von zwei reizenden Damen. Die teuerste Karte für den VIP-Bereich kostete mich 10 Litas (etwa 3,40 Euro). Viel Wert scheint man aber nicht darauf legen dass sich jeder Zuschauer eine Eintrittskarte kauft. Ich musste mich für den Kauf einer Eintrittskarte regelrecht aufdrängen. War aber Ehrensache. 🙂
Das Wappen des Retortenklubs.
Ich hatte noch etwas Zeit mich etwas im Stadion umzusehen. Hier geht es zu den Kabinen.
Doch dann ist es auch mal an der Zeit mich in meine VIP Louge zu begeben.
Dort muss man allerdings aufpassen wo man hinsteigt. 🙂
Kurz vor dem Anpfiff traf ich, wie in Vilnius, wieder zwei Deutsche die sich das Spiel auch nicht entgehen lassen wollten. Dieses Mal kamen sie aus Dresden. Dynamo Fans versteht sich. Keine Dresdner SC Anhänger. Nach dem Spiel ging sich sogar noch ein Bier aus. Sie waren sehr lustig drauf und machten Witze im Minutentakt. Am nächsten Tag ging es für sie weiter nach Estland (Pärnu, 2. Liga) und später rauf nach Finnland. Die spielen ja auch im Sommer durch. Der litauische Fussball scheint bei den Deutschen jedenfalls sehr gut anzukommen.
Doch nun zum Spiel. Der Gastgeber FC Klaipeda begann mit einem 4-3-3 sehr aggressiv. Bei Ballbesitz der Zalgiris Verteidiger attackierten diese sofort und versuchten sie damit unter Druck zu setzen. Die Gäste aus Vilnius mussten dabei höllisch aufpassen, denn ein Ballverlust in so einer Situation und der Hut hätte gebrannt. Doch sie behielten eigentlich über fast die gesamte Distanz die Nerven. Zalgiris Vilnius spielte mit einem 4-5-1 eher defensiv. Der Spielaufbau eher behäbig. Der einzige Stürmer versuchte bei Angriffen zu erst immer den Ball zu halten bis die Mittelfeldspieler nachgerückt waren. Der Überraschungsmoment fehlte damit immer im Angriffsspiel der Hauptstädter. Torchancen waren eigentlich Mangelware. Die Gründe waren der langsame Spielaufbau von Zalgiris und ihre starke Abwehr. Trotz der 3 Stürmer von Klaipeda tat man sich sehr schwer die massierte Abwehrmauer zu durchbrechen. Zalgiris stand sehr gut und liess sich nicht aus der Reserve locken. Bei Ballverlust verteidigten fast immer 10 Mann. Nur der Stürmer blieb vorne stehen. Für den FC Klaipeda war es da natürlich sehr schwer irgend etwas zählbares herauszuschlagen. Kein Wunder dass Zalgiris aus den letzten 7 Partien nur ein Gegentor erhalten hatte, und selbst dabei nur ein Mal mehr als ein Tor schoss. Das ganze System beruht auf eine sichere Abwehr.
Zalgiris (grün/weiss) greift an. Klaipeda verteidigt.
FC Klaipeda versucht einen Konter einzuleiten. Die Solospitze von Zalgiris, Deivydas Matulevičius (9), möchte die Aktion noch gerne unterbunden wissen.
Die Zalgiris Verteidiger Georgas Fridgeimas (3) und Algis Jankauskas (5) gegen Klaipeda Stürmer Deividas Lukošius (9).
FC Klaipeda hat Sinn für Humor. Der brasilianische Import Armando Tarlazis Vieira Dos Santos und der Litauer Artūras Sobolis tragen die selbe Rückennummer.
Die Retortenultras von Klaipeda. Die Szenerie erinnerte mich jedenfalls frappierend an einen Red Bull Salzburg Sektor bei einem Auswärtsspiel.
Zalgiris Verteidiger Georgas Fridgeimas im Kampf um den Ball.
Direktübertragung mit 3 Kameras. Das wird von der Liga selbst finanziert. Damit möchte man die Fussballkonsumenten zu Hause animieren wieder öfter die Stadien zu besuchen. Ein litauischer Insider hat mir das jedenfalls in mein Ohr geflüstert. Einnahmen hat man damit keine. Die Übertragungen sind auch gratis im Internet verfügbar. Online Wettanbieter wie beispielsweise www.bet365.com nehmen das Angebot gerne an, und zeigen die Spiele der litauischen Liga auch live auf ihren Seiten. Man kann nur hoffen dass das Angebot noch lange Bestand hat.
6 Minuten vor der Pause dann die Führung für Zalgiris Vilnius. Es war eine herrliche Einzelaktion von Arminas Vaskėla, der auf engsten Raum 4-5 Gegenspieler stehen liess und dann aus etwa 12 Metern perfekt abschloss. Doch schon davor wurde ein völlig reguläres Tor für Zalgiris nicht gegeben. Mit 1:0 für die Gäste ging es in die Pause.
So eben erzielte Zalgiris das 1:0. Der Jubel hält sich in Grenzen, hat ja schliesslich auch jeder so erwartet.
In Hälfte zwei mühte sich Klaipeda weiter um ein Tor. Doch Unvermögen und eine starke Zalgiris Abwehr machte diesem frommen Vorhaben einen Strich durch die Rechnung. Bereits 10 Minuten vor Abpfiff konnte man davon ausgehen dass Zalgiris diese Partie locker nach Hause spielen würde. Zu abgeklärt und sicher agierte die Mannschaft, und Klaipeda hätte wahrscheinlich nur ein Weitschuss oder eine überragende Einzelaktion den Ausgleich gebracht. Doch dazu fehlte den Gastgebern die individuelle Klasse.
In Hälfte zwei spielt Zalgiris weiter souverän. Im Bild das Duell Edgaras Mastianica (Zalgiris) gegen Gediminas Kruša (Klaipeda).
Wieder Edgaras Mastianica im Duell um den Ball.
Solospitze Deivydas Matulevičius vergibt eine Riesenchance!
Mit den Fahrrad direkt auf die Tribüne. Das ist Fussball schauen in Litauen!
Blick auf die Haupttribüne. Es ist ein angenehmes Sitzen im Schatten. Dieser Dienstag Ende Juni war besonders heiss.
Der Zalgiris Auswärtsmob in Aktion. Ihre Unterstützung konnte sich sehen und hören lassen. 90 Minuten wurde durchgesungen. Die gelben Hemden wurden extra für dieses Spiel angefertigt. Aufdruck frei übersetzt: „In Klaipeda nur Atlantas“. 🙂
Eine typische Szene des Spiels. FC Klaipeda greift an, und der ballführende Spieler wird sofort von zwei Gegner attackiert. Was bleibt ihm anderes als der Pass zurück? So kam es daher selten zu guten Einschussmöglichkeiten für Klaipeda.
Diskussionen: gelbe oder rote Karte für Zalgiris? Der Schiedsrichter beliess es bei gelb.
Es gab aber auch Szenen da kam Zalgiris Torhüter Marius Rapalis ordentlich in’s Schwitzen.
Das war jetzt aber die wohl grösste Ausgleichschance für Klaipeda. Toller Pass von Deividas Lukošius auf Mohamed Keita aus Guinea.
Doch anstatt alleine vor dem Tor abzuschliessen, spielt er noch einmal zurück …
… und sein Mannschaftkollege vergibt diese Einschussmöglichkeit kläglich. Entsetzt wendet sich der „beste Afrikaner am Platz“ ab. Doch er muss sich da an die eigene Nase fassen. Er hätte die bessere Position zum Abschluss gehabt.
Das war es dann eigentlich. In den letzten Minuten tat sich nicht mehr viel. Zalgiris brachte das 1:0 dann über die Runden.
Zalgiris gewann durch eine hervorragende taktische Leistung völlig verdient mit 1:0. Man bleibt damit der erste Verfolger des Tabellenführers.
Nach dem Spiel ging es schnell aus dem Stadion zum Minibus in Richtung Zentrum. Nach dem Bier mit den Jungs aus Dresden, die ich auf ein Bier einladen durfte, was mich sehr gefreut hat, ging es schnellen Schrittes zum Hafen um mein Schiff zu erwischen.
Melancholischer Abschied von Klaipeda auf der Fähre. Es war ein wunderschöner Tag an den ich bestimmt noch lange zurückdenken werde.